Werner Rydl – Kopf und Spitzenreiter an Haftjahren im Umsatzsteuerkarussell

Werner Rydl mit Spickzettel am 24. Februar 2010. Am 20. Oktober ist der Zettel der gleiche, es hat sich nichts geändert: Er gibt dem Staatsanwalt zu Betrugsvorwürfen Recht. Steuerhinterziehung habe er aber keine begangen. Werner Rydl hat nun das Gesamtstrafpaket von neun Jahren Haft. (Foto: Marcus J. Oswald)

(Wien, im Oktober 2010) Das zweite Strafverfahren gegen den Umsatzsteuer-Jongleur Nummer 1 der 1990er-Jahre brachte die Ergänzung, die er und alle erwartet hatten: Zwei Jahre Zusatzstrafe wegen Betruges und Steuerhintererziehung. Dazu ein Jahr nach Finanzstrafgesetz, sowie ein weiteres Jahr Arrest bei Uneinbringlichkeit der verhängten 22 Millionen Euro Wertsatzstrafe (ein Jahr Haft ist in Österreich die nach oben gedeckelte Höchststrafe bei Wertersatzstrafen). Damit kratzt Werner Rydl mit seinem Gesamtstrafmaß am Plafond der zehn Jahre, die er sich gewünscht hatte. Wobei sich seine zehn Jahre aus Strafrecht, Finanzstrafrecht und Wertsatzstrafe zusammensetzen. Er bleibt Spitzenreiter in der Gruppe, die er angeführt hatte: 14 Mitglieder hatte sie, darunter seine eigene Mutter. Alle bekamen eine Haftstrafe, der zweite Anführer, Rainer Rydl saß seine sieben Jahre plus ein Jahr für Wertersatz bereits ab und ist auf Bewährung entlassen (Drittel).

Flucht nach Brasilien

Während die Komplizen ihre Prozesse schon hinter sich haben und teilweise im Publikum sitzen, bewegte sich Werner Rydl, der 1995 Österreich verließ, bis 2005 in Brasilien in sonniger Freiheit mit Frau (Scheinehe oder nicht) und zwei Kindern. 2005 wurde er festgesetzt und befand sich fast vier Jahre in Auslieferungshaft. Heimgeholt nach Wien 2009 begann der erste Prozess im Februar 2010. Das Verfahren bließ ein stinknormaler Betrugsprozess: Frächter und Transportunternehmer fühlten sich geprellt. Ein Gerichtsvorsmittag, und das Urteil für gewinnbringende Täuschungen von Geschäftspartnern in der – für Rydl-Verhältnnisse – lapidaren Höhe von 2.6 Millioen Euro nach Betrug war gesprochen. Er wurde Tags darauf sofort freigelassen, da die Auslieferungshaft in einem höheren Schlüssel angerechnet wurde und die österreichischen U-Haft von einem halben Jahr dazukam. Rydl ging nach seiner Entlassung zu Zeitungen, hauptsächlich zu „Österreich“ und diente sich in Interviews als „Steuerexperte“ an. In einem Interview bot er sich als Berater des Finanzministers Pröll an. Der wollte nicht. Dann ging er aufs Sozialamt. Werner Rydl, 53, lebt seither von 700 Euro monatlich.

Hauptsache

Am 20. Oktober 2010 folgte der zweite Prozess. Diesmal der richtige Rydl-Prozess: Bildung einer kriminellen Organisation, Betrug und Steuerhinterziehung, so die Vorwürfe. Also die „harten“ Dinge, für die die anderen 13 Personen auch schon Jahre abgesessen haben. Nur Werner Rydl begab sich auf zehnjährige Reise, die im Alter von 48 Jahren in einem brasilianischen Gefängnis endete. Richter beim ersten Gerichtsprozess war der souveräne Thomas Kreuter, der das Februar-Verfahren mit spitzer Zunge und Wirtschaftskompetenz geführt hatte. Vor Richterin Daniela Setz-Hummel gibt Werner Rydl am 20. Oktober 2010 erneut seine bewährten Expertisen ab. Er ist für die Abschaffung der Vorsteuer.

116 Millionen Euro Steuern verschwunden, 46 Millionen angeklagt

Doch Rydl ist nicht als Gutachter geladen, sondern als Angeklagter. Als solcher sollte er den Verbleib von 116 Millionen Euro Steuern, die er zwischen 1992 und 1995 in einem Karussell an Subfirmen verschwinden ließ, Auskunft geben. Er sagt: Die Millionen „liegen im Atlantik gebunkert.“ Das bezweifeln alle. Das Geld ist vermutlich weg. Konkret werden ihm Betrug und Abgabenhinterziehung von 46 Millionen Euro vorgeworfen, die durch seine – laut Staatsanwaltschaft – 186 Firmen als Durchlaufposten entstanden waren. Die Scheinfirmen wickelten Exportgeschäfte (1992 – 1995) teilweise nur auf dem Papier ab oder durch „Überdeklaration“ relativ wenig werthaltiger Güter wie Parfümnachbauten und Dekorsteine.

Das Geld ist weg, der Spickzettel derselbe wie im Frühjahr 2010 im ersten Prozess.

Werner Rydl bekennt sich im Oktober 2010 - im Gegensatz zum Februar 2010 - teilweise schuldig. Schuldig zum Betrug, nicht aber zur Steuerhinterziehung und auch nicht zur Bildung einer kriminellen Organisation. Die Kriminellen säßen im Finanzministerium, so der Angeklagte. Ansonsten hält er sich an den Spickzettel vom 24. Februar 2010: Er gibt dem Ankläger im Grunde Recht und will Hand in Hand mit dem Staatsanwalt gehen. (Foto: Oswald, 24. Februar 2010)

Rydls Verantwortung ist einfach: Betrogen hat er, dazu steht er, auch wenn er sich an Details nicht mehr erinnern kann, da der Tatzeitraum zwischen 1992 und 1995 stattfand. Wozu er sich keineswegs schuldig fühlt, ist Steuerhinterziehung und Bildung einer Bande. Die kriminelle Organisation säße im Finanzministerium, so der langgediente Auslandsösterreicher.

Die Mutter des Werner Rydl sagte einmal in einem Zeitungsinterview, dass sich ihr Sohn irgendwann in ein Thema verbissen hat und sein gesamtes Denkgebäude darauf aufbaut. Das ist eine nette Umschreibung für Verwirrtheit. Doch Rydl ist kein ordnungspolitischer Missionar und er muss sich nicht Kerngedanken zur Finanzierung eines Staates machen. Er baute über einen Freundeskreis 186 Firmen auf und das war seine Welt. Die Rechnung bekommt er am 20. Oktober 2010 präsentiert: Er fordert – wie schon im Schlusswort des ersten Betrugsprozesses – die Höchststrafe für sich.

Rydl bleibt unter der Höchststrafe – nur zwei Jahre Haft

Das hat einen Hintergedanken, den er verfolgt: Das Doppelbestrafverbot. Man kann nicht für ein Delikt zwei Mal bestraft werden. Schöpft er jetzt die Höchststrafe aus, kann er das von ihm soganannte „Steuerembargo“ weiterführen. Er könnte theoretisch nicht mehr bestraft werden. Doch er bekommt die Höchststrafe nicht.

Werner Rydl, 53: Sieht sich als moralischer Sieger, ist mit neun Jahren Haft (von zehn möglichen) zufrieden und geht nun wieder drei Jahre ins Gefängnis. (Foto: Marcus J. Oswald)

Sechs Jahre hatte er im ersten Prozess erhalten. Nun kommen zwei Jahre drauf. Macht acht Jahre gerichtliche Strafe. Dazu kommt heute ein Jahr nach Finanzstrafgesetz wegen der üppigen Steuerschuld (46 Millionen angeklagt). Bringt er 22 Millionen Euro Wertersatz nach der dreijährigen Haft auf (2013) und begleicht seine Schuld, indem er in den Atlantik taucht und die angeblichen „fünf Milliarden Euro“ (Rydl) aus der geheimnisumwitterten Schatzkiste birgt, ist er aus dem Schneider. Falls nicht, muss er ein weiteres Jahr für die Wertersatzstrafe in Haft Sitzen gehen. Einfache Rechnung in einer komplizierten Welt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verurteilung zu Betrug nimmt er an. Gegen Steuerhinterziehung beruft er. Im übrigen ist Werner Rydl der Meinung, dass die Vorsteuer abgeschafft gehört.

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OGH in abschließendem Urteil zum Fall Werner Rydl + Freunde (noch ohne den Kopf, der von 2005 bis 2009 in Brasilien in Auslieferungshaft saß):
15 Os 31/04 (7. April 2005) – Verurteilungen auch nach Bandenbildung und Kriminelle Organisation (§ 278 a).

Marcus J. Oswald (Ressort: Werner Rydl, Strafprozesse, Landesgericht Wien)

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